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Aufruf: 9-Euro-Ticket trotzdem kaufen

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Von Juni bis August 2022 dürfen alle Menschen für 9 € pro Monat deutschlandweit im Regionalverkehr mit Zügen, Bussen und Trams fahren. Je nach Region macht das für manche weniger Sinn als für andere. Warum ihr das 9-Euro-Ticket trotzdem kaufen solltet. Und weshalb der Tankrabatt dem Umstieg auf den ÖPNV nicht nur im Weg steht, sondern das Pariser Klimaabkommen völlig ignoriert.

Lesezeit: ca. 10 min

Durch die bekannten Entwicklungen in der Welt herrscht seit ca. zwei Jahren Ausnahmezustand, welcher seit Ende Februar noch zusätzlich zu einem unerwartetem Höhepunkt eskaliert. Rohstoffe werden knapp, Wirtschaftsroutinen kommen ins Stocken, Lieferzeiten verlängern sich auf mehr als 3-5 Werktage. Seit Beginn der Corona-Pandemie wird der Begriff Solidarität im Zusammenhang mit vielen Themen vermehrt verwendet und die Politik ist bemüht, die Auswirkungen der ungewöhnlichen Situation auf alle Gesellschaftsschichten gerecht zu verteilen.

Zuletzt sind die sehr stark gestiegenen Energie- und Treibstoffpreise im Fokus. Der Beginn dessen liegt vor allem im Gasmarkt. Durch die Lockdown-bedingt schwächelnde Wirtschaft lagen die Preise im Gas-Großhandel im Mai 2020 bei ca. 1,3 Cent/kWh, anschließend erreichten sie ungeahnte Höchststände im November und Dezember 2021 mit über 6 Cent/kWh und aktuell liegen sie bei knapp über 8 Cent/kWh (Mai 2022). Faktor 6 also. Durch die Merit-Order wirken sich diese Gaspreise auch auf den Strommarkt aus, sogar auf Ökostromverträge. Einen guten Überblick über diesen Zusammenhang bekommt ihr hier: [1].

Von diesen Preissteigerungen betroffen sind alle Menschen und Unternehmen, die Strom verbrauchen und Wärme aus Gas benötigen oder auch Unternehmen, die Erdgas als Vorprodukt für chemische Umwandlungsprozesse einkaufen.
Insbesondere aber betroffen sind Menschen mit geringen Einnahmen und solche, die beispielsweise nach einem Umzug neue Verträge abschießen wollen. Aktuelle Ökostromtarife für Neukunden haben Arbeitspreise von ca. 50 Cent/kWh und Ökogastarife 21 Cent/kWh [2].

Kurz nach dem Kriegsbeginn zwischen Russland und der Ukraine sind außerdem die Rohölpreise sprungartig gestiegen. Diese Preissteigerungen sind innerhalb von kurzer Zeit an den Tankstellen angekommen. Diesel kostete zwischenzeitlich 2,30 €/Liter und Super-Benzin bis zu 2,20 €/Liter. Seit Ende Februar ist der Rohölmarkt äußerst volatil und schwankt zwischen 95 und 123 US$/Barrel der Nordseesorte Brent. Dies ist ein Argumentationsgrund für Raffineriekonzerne, die Spritpreise oben zu halten – aus Unsicherheit der kommenden Preisentwicklung. Jedenfalls sind Anteile wie Energiesteuer, CO2-Preis und Mehrwertsteuer nicht oder nur indirekt an den hohen Spritpreisen beteiligt [3].

Da sich die hohen Preise an den Tankstellen auf nahezu alle Bereiche auswirken, will die Politik ein deutliches Zeichen setzen, das auch starke Wirkung erzielen kann: Eine Entlastung der gestiegenen Mobilitätsausgaben.

  • Für Menschen, die von A nach B kommen wollen gibt es eine günstige Monatskarte für den deutschlandweiten Nahverkehr (ÖPNV)
  • Zur Unterstützung der Industrie und Wirtschaft gibt es einen Tankrabatt, den allerdings auch Privatpersonen nutzen können

Mit der Monatskarte für 9 € – dem sogenannten 9-Euro-Ticket – fahrt ihr im Juni, Juli oder August für jeweils 9 € im gesamten deutschlandweiten ÖPNV.
Für viele Stadttarife entspricht das dem Preis einer 4-Fahrten Karte. Damit dürfte ein starker Anreiz geschaffen sein, den Arbeits- oder Einkaufsweg mit Zug, Bus und Tram zumindest auszuprobieren. Damit das ganze als positives Erlebnis in Erinnerung bleibt, sollten die Taktungen passen und die Auslastung so sein, dass jede*r sich im Verkehrsmittel noch bewegen und bequem ein- und aussteigen kann.
Grundsätzlich ein gute Idee, trotzdem gibt es drei große Kritikpunkte:

  1. Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen, wenn Taktungen oder die grundsätzliche Verfügbarkeit von ÖPNV nicht passen.
  2. Der Betrag von 9 € ist lächerlich gering. Dieser kann evtl. noch nicht einmal die administrativen Aufwendungen für die Umstellung ausgleichen. Besser wäre es demnach, völlig kostenlos 3 Monate lang im ÖPNV fahren zu dürfen.
  3. Der ÖPNV ist vor allem in der Stadt gut ausgebaut, auf dem Land eher nicht, was ungerecht wirken kann.

Dem gegenüber stehen aber einige Vorteile des 9-Euro-Tickets:
Ein sehr relevanter Punkt aus Sicht des Klimaschutzes ist der geringere Ausstoß und CO2-äquivalenten bei der Mobilität via Bus und Bahn im Vergleich zum Pkw.

Bildquelle:
Umweltbundesamt 2021 [4]

Die großen Unterschiede zwischen 2019 und 2020 kommen daher, dass 2020 Corona-bedingt deutlich weniger Menschen den ÖPNV genutzt haben, gleichzeitig aber etwa genauso viele Züge, Busse und Trams unterwegs waren. Der Punkt ist aber eindeutig: Bei den aktuellen durchschnittlichen Auslastungen der einzelnen Verkehrsmittel sind die Emissionen mit Bussen uns Bahnen deutlich geringer als mit dem Auto.

Und mit dem 9-Euro-Ticket sind Bus und Bahn auch noch deutlich günstiger!

Weitere Vorteile des 9-Euro-Tickets:

  • Möglicher Start einer echten Verkehrswende; weg vom motorisierten Individualverkehr, hin zu passenden Sammelbeförderungen
  • Testlauf im ÖPNV, wie gut aktuelle Taktungen passen und an welchen Stellen nachgebessert werden muss
  • Erfassen von Bedarf zur Anbindung nach Endhaltestellen: City-Fahrräder, E-Scooter, Car-Sharing, Taxi, etc.
  • Schaffung sozialer Kontaktpunkte durch die Nutzung des ÖPNV anstatt des abgeschotteten Individualverkehrs

Leider gibt es gleichzeitig eine weiter Mobilitäts-Unterstützung, die den motorisierten Individualverkehr deutlich fördert: den Tankrabatt.
Um Sprit günstiger zu machen, senkt die Bundesregierung die Energiesteuer für Kraftstoffe ab 01.06.2022 auf das in der EU erlaubte Mindestmaß für die Dauer von 3 Monaten. Super-Benzin wird dadurch um ca. 30 Cent/Liter günstiger und Diesel um ca. 14 Cent/Liter.
Allerdings ist das ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um die Nutzung fossiler Kraftstoffe zu subventionieren. Damit wird der Klimawandel weiterhin gefördert. Ironischerweise hat die Partei, die immer auf die Markteffizienzhypothese gesetzt hat, diesen Tankrabatt angestoßen und schließlich auch durchgebracht, obwohl gerade jetzt der Markt dabei ist, die Preise für Energie zu regeln. Alle Menschen, die viel Auto fahren und viele Autos besitzen, werden sich allerdings darüber freuen.

Der Aufruf an dieser Stelle ist klar: Kauft das 9-Euro-Ticket in jedem Fall!

  • Selbst, wenn ihr kein einziges Mal innerhalb der 3 Monate Zug, Bus oder Bahn fahren werdet, lohn es sich für die Mobilitätswende.
  • Selbst wenn ihr ein Semesterticket oder Jobticket besitzt und das 9-Euro-Ticket zusätzlich keinen weiteren Nutzen hätte – es unterstützt die Menschen, die sich normalerweise keine Monatskarte leisten können
  • Es gibt Diskussionen, nach denen das 9-Euro-Ticket in das Semesterticket integriert werden soll ohne zusätzliche Kosten. Kauft es euch trotzdem.
  • Und schließlich: Fahrt mal an einen schönen See oder unternehmt einen Ausflug in ein nah gelegenes Erholungsgebiet. Damit sind die 9 € im Nu wieder drin 😉

Es ist wie eine Spende zur Unterstützung der Mobilitätswende, wie eine Spende an Fridays For Future, wie ein kleiner Supermarkteinkauf, wie abends mal mit dem Auto 15 km zu Freunden zu fahren und wieder zurück.

Es ist einfach!

Das 9-Euro-Ticket ist ab heute (Montag, 23.05.2022) erhältlich im DB-Reisezentrum und in der App DB Navigator.

9-Euro-Ticket kaufen über www.bahn.de

Quellenverzeichnis

Verweis Quelle
[1]Naturstrom AG – Warum macht eine fossile Brennstoffkrise meinen Ökostrom teuer oder wie hängen die globalen Rohstoff- mit den lokalen Strommärkten zusammen? (Link)
[2]Naturstrom AG – Privatkundenpreise (Link)
[3]Forbes Advisor – Deshalb sind die Benzinpreise so hoch (Link)
[4]Umweltbundesamt – CO2-Emissionen Mobilität (Link)

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