Brauche ich einen neuen Stromzähler, wenn ich Stecker-PV verwenden möchte?
In Deutschland sind in Haushalten in der Regel noch mechanische sogenannte „Ferraris“-Zähler verbaut.
Diese erkennt man an der rotierenden Scheibe, die sich (von links nach rechts) dreht, wenn Strom aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen wird. Sie besitzen in der Regel keine Rücklaufsperre und drehen sich rückwärts (also dann von rechts nach links), wenn Strom von der Guerilla-PV ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird.
Ein rückwärtslaufender Zähler ist offiziell nicht erlaubt. Deshalb verlangen die meisten Netzbetreiber einen Zählertausch gegen einen elektronischen Zähler, der dann entweder eine Rücklaufsperre besitzt oder ein Zweirichtungszähler ist und somit auch den eingespeisten Strom erfasst.
Das hat zwei Gründe: zum einen führt ein rückwärtslaufender Zähler dazu, dass der eingespeiste Solarstrom mit dem Strombezugspreis von derzeit ca. 30 Ct/kWh verrechnet wird. Zum Vergleich: die EEG-Einspeisevergütung für Solarstrom liegt derzeit bei ca. 8 Ct/kWh (Stand März 2021). Zum anderen müssen die Netzbetreiber einen ausgeglichenen Bilanzkreis ausweisen. Das bedeutet, dass alle 15 Minuten die in einem Bilanzkreis erzeugte und verbrauchte Energie gleich groß sein muss. Eine nicht erfasste Einspeisung z.B. durch einen rückwärtslaufenden Ferraris-Zähler führt also zu einem Ungleichgewicht im Bilanzkreis. Und dieses Ungleichgewicht muss der Netzbetreiber ausgleichen. Dafür muss er in der Regel sehr teure Ausgleichsenergie einkaufen. Jetzt könnte man sagen, dass die Strommengen von einem Stecker-Solargerät nicht nennenswert sind. Das stimmt auch. Aber mal angenommen jeder dritte Haushalt hätte ein oder zwei Stecker-Solargeräte, es würden dann dadurch einige Abweichungen im Bilanzkreis auftreten. Das ist wohl auch mit ein Grund, warum sich viele Netzbetreiber nur ungern auf Guerilla-PV für jedermann einlassen wollen. Diese zwei Gründe führen dazu, dass man den Betrieb eines Stecker-Solargerätes sowohl beim Netzbetreiber (in der Regel die örtlichen Stadtwerke) und bei der Bundesnetzagentur anmelden muss. Zur Anmeldung später mehr.
Eine Einspeisung ohne Erfassung ist dennoch in gewissen Grenzen erlaubt. „Nach EU Netzkodex 2016/631 sind Stromerzeugungseinrichtungen unter 800 Watt nicht signifikant. Ihre Energie muss nur gemessen werden, wenn EEG-Einspeisevergütung bezogen werden soll. Dies wird gemäß VDE-AR-N 4105 genauso bei elektrischen Antrieben, wie Fahrstühlen, die zeitweise im Generatorbetrieb laufen gehandhabt“ [DGS18]. Der Bezug von EEG-Einspeisevergütung lohnt sich für Stecker-PV nicht, da das mit nicht unerheblichem bürokratischem Aufwand verbunden ist. Diese 800 Watt-Grenze betrifft bisher aber nur die Anforderung an die Energiemessung und ist bisher auch noch nicht zu allen Netzbetreibern durchgedrungen, sodass diese in der Regel auch bei geringerer Leistung einen Zählertausch fordern. Die 600 Watt-Grenze bezüglich der Leistung, die man ohne Elektriker selbstständig anschließen darf, ist davon bisher unberührt.
Kommen wir nun zu der Frage, welchen Stromzähler man für Stecker-PV benötigt.
„Wenn das steckbare Solar-Gerät weniger als 800 Watt leistet und die Netzrückspeisung des Solar-Gerätes geringer als 4% des Jahresstrombezugs ausfällt, ist jeder Zähler geeignet“ [DGS18]. Ein Stecker-Solargerät mit 300 Watt lässt sich ab einem Jahresstromverbrauch von ca. 2.100 kWh/a betreiben, ohne dass eine illegale Einspeisung zu erwarten ist. Bei 600 Watt steigt der empfohlene Mindest-Jahresstromverbrauch auf 4.200 kWh/a.
„Wenn das steckbare Solar-Gerät weniger als 800 Watt leistet und die Netzrückspeisung des Solar-Gerätes höher als 4% des Jahresstrombezugs ausfällt, ist ein Zähler mit Rücklaufsperre für den rechtssicheren Betrieb nötig. Die Umrüstung auf einen Zähler mit Rücklaufsperre zieht keine laufenden Kosten nach sich.“ [DGS18]
„Wenn das steckbare Solar-Gerät mehr als 1000 Watt leistet, ist ein Zwei-Richtungs-Zähler für den rechtssicheren Betrieb nötig. Ein Zwei-Richtungs-Zähler kann laufende Kosten verursachen.“ [DGS18]
In der Regel fordern Netzbetreiber an Stelle des alten, einen neuen elektronischen Zähler zu installieren, der beide Richtungen erfasst. Bei den sogenannten modernen Messeinrichtungen, auch Smart Meter genannt, ist dies standardmäßig der Fall. Im Lauf der nächsten Jahre sieht der Gesetzgeber sowieso vor, dass alle Zähler in Deutschland durch solche moderne Messeinrichtungen ersetzt werden (Smart-Meter-Rollout). [Ver20]
Baut euer Netzbetreiber den alten Zähler aus und dafür eine moderne Messeinrichtung ein, darf er dafür keine Kosten in Rechnung stellen, weil diese in der jährlichen Gebühr bereits enthalten sind. Einige Netzbetreiber stellen aber auch generell keine Kosten in Rechnung, wenn ihr ein Stecker-Solargerät anmeldet und der Zähler getauscht werden muss. [Ver20]
Die jährlichen Messkosten können sich durch die moderne Messeinrichtung schon jetzt etwas erhöhen, von derzeit 10 bis 15 auf maximal 20 Euro (gesetzliche Kostenobergrenze und zukünftig Standard). [Ver20]
Das Problem für die Netzbetreiber: Sie können den Betrieb von Guerilla-PV an einem Ferraris-Zähler nicht nachweisen, da er den Stromverbrauch über das ganze Jahr aufsummiert. Wenn zur Mittagszeit PV-Strom ins Netz eingespeist wird, dreht sich der Zähler rückwärts. Verbraucht ihr dann aber abends wieder mehr Strom aus dem Stromnetz, dreht sich der Zähler wieder vorwärts und die illegale Einspeisung fällt niemandem auf. Am Jahresende habt ihr ja sowieso deutlich mehr Strom aus dem Netz bezogen als eurer Stecker-Solargerät eingespeist hat. Das Einzige, was der Netzbetreiber dann mitbekommt ist, dass euer Jahresstromverbrauch gesunken ist. Damit lässt sich aber nicht nachweisen, dass ihr illegal Guerilla-PV im Einsatz habt.
Zusammengefasst: In der Regel verlangt der Netzbetreiber den Einbau einer modernen Messeinrichtung (Smart Meter) bei Verwendung eines Stecker-Solargeräts. Durch den kommenden Smart-Meter-Rollout sollen sowieso irgendwann alle alten Stromzähler ersetzt werden. Manche Netzbetreiber stellen Gebühren in Rechnung, andere tauschen den Stromzähler bei Anmeldung eines Stecker-Solargeräts kostenlos. Wenn ihr Guerilla-PV illegal ohne Anmeldung mit einem Ferraris-Zähler betreibt, kann euch das der Netzbetreiber allerdings nur schwer nachweisen.
Muss ich ein Stecker-Solargerät irgendwo anmelden?
Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte das Stecker-Solargerät sowohl bei der Bundesnetzagentur als auch beim Netzbetreiber anmelden.
Anmeldung bei der Bundesnetzagentur: [DGS18]
- Ortsfeste Steckdosen-Solarmodule müssen laut MaStRV registriert werden. Nicht ortsfeste Einheiten müssen nicht registriert werden. (FAQ der BnetzA) Es ist bisher nicht abschließend geklärt, wann ein Steckdosen-Solarmodul ortsfest ist. Die Registrierung ist unter https://www.marktstammdatenregister.de vorzunehmen.
- Die Registrierung ist gebührenfrei.
- Die Registrierung kann vom Anlagenbetreiber oder durch vom Anlagenbetreiber bevollmächtige Personen durchgeführt werden. Dazu ist kein Elektriker notwendig.
- Ein Verstoß gegen die Registrierungspflicht ist eine Ordnungswidrigkeit und kann ein dreistelliges Bußgeld zur Folge haben.
Anmeldung beim Netzbetreiber: [DGS18]
- Steckdosen-Solarmodule, die in das öffentliche Netz einspeisen, müssen mit dem Netzbetreiber und Messstellenbetreiber abgestimmt werden. Eigenanlagen, die nicht in das öffentliche Netz einspeisen, müssen dem Netzbetreiber mitgeteilt werden. Es ist bisher nicht abschließend geklärt, ob ein Steckdosen-Solarmodul eine Eigenanlage ist.
- Für die Abstimmung/Mitteilung bestehen bisher keine allgemeingültigen Vorgaben. Alle Netzbetreiber müssen seit dem 27.04.2019 die Mitteilung durch das Inbetriebsetzungsprotokoll E.8 der VDE-AR-N 4105 :2018-11 akzeptieren. Einige Netzbetreiber akzeptieren ein vereinfachtes Meldeverfahren und stellen bereits Anmeldeformulare auf deren Internetseite zur Verfügung.
- Die Abstimmung/Mitteilung ist gebührenfrei. Sollte bei Netzeinspeisung ein Zählertausch nötig sein, kann der Messstellenbetreiber Gebühren erheben.
- Die Abstimmung/Mitteilung ist vom Anschlussnehmer oder -nutzer oder bevollmächtigten Personen durchzuführen. Dazu ist kein Elektriker notwendig.
- Bei rückwärts laufenden Stromzählern kann dies als Verstoß gegen die Abstimmungs- oder Mitteilungspflicht den Netzbetreiber zur Anschlussunterbrechung berechtigen.
Wenn der Netzbetreiber euer Solar-Gerät bemerkt, könntet ihr Post vom Netzbetreiber erhalten. Die Anmeldung kann dann nachgeholt werden. Wenn der Anschlussnehmer oder -nutzer den Schutz vor Rückspannungen mittels Zertifikats für den Netz- und Anlagenschutz nach VDE-AR-N 4105 nachweist, hat der Netzbetreiber keine Handhabe gegen das Solar-Gerät. [DGS18]
Wenn ihr ein Stecker-Solargerät beim Netzbetreiber oder bei der Bundesnetzagentur anmeldet, könnt ihr davon ausgehen, dass auch die jeweils andere Institution von dieser Anmeldung erfährt. Es empfiehlt sich dann, beide Anmeldungen durchzuführen. Auch unter Juristen ist noch strittig, welche Konsequenzen es hat, auf die Anmeldung zu verzichten. [Ver20]
Zusammengefasst: Offiziell müsst Ihr Stecker-PV sowohl beim Netzbetreiber (in der Regel die örtlichen Stadtwerke) als auch bei der Bundesnetzagentur anmelden. Beide Anmeldungen könnt ihr selbst vornehmen. Dazu braucht ihr keinen Elektriker. Wenn ihr eure Guerilla-PV nicht anmeldet, ist das eine Ordnungswidrigkeit und kann, sollte es euch nachgewiesen werden können, zu einem dreistelligen Bußgeld führen.
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Marco
Herzlichen Dank für den gelungenen Beitrag. Die Miteinbeziehung von allen Dachflächen beim Neubau wie Carports, Pergolas etc. für die Errichtung von PV-Anlagen wird in Zukunft immer wichtiger. Haben Sie sich schon mal die PV Projekte für PV Carports und PV Dächer von http://www.pvcarport24.de angeschaut? Dort werden transparente PV Module mit Zulassung für Überkopfverglasung verwendet.
Torsten Maier
Ich hab grad ein richtig gutes Video dazu gefunden. Dort kann jede:r sehen, wie einfach so ein Balkon-PV-Modul montiert und angeschlossen wird.
Link:
https://www.youtube.com/watch?v=iX1-uklAmwI&ab_channel=Sonnenw%C3%A4rmeDirektGmbH
Julius
Die Effektivität einer solchen Anlage hängt ja auch sehr von der Region ab, in der man lebt. Gibt es denn für Deutschland eine detaillierte Übersichtskarte, anhand der man die durchschnittliche jährliche Sonneneinstrahlung an seinem Wohnort prüfen kann?
Til Stricker
Hallo Julius,
Das ist richtig. Der Anlagenstandort ist einer von mehreren Einflussfaktoren auf den Anlagenertrag. Vom deutschen Wetterdienst werden Strahlungsdaten in einer Karte aufbereitet. Die jährliche Globalstrahlung in 2020 für Deutschland findest du hier: Link
Die Globalstrahlung ist aber nur die Einstrahlung auf die horizontale Erdoberfläche. Für den Anlagenertrag spielen noch die Ausrichtung und Neigung der Module, sowie der Wirkungsgrad und die Verschattungssituation eine Rolle. Um den Ertrag einer Stecker-PV abzuschätzen, kann man besser folgende Karte mit dem spezifischen Anlagenertrag verwenden. Link: https://www.umwelt-campus.de/institute/institut-fuer-betriebs-und-technologiemanagement/aktuelles/neue-ertragsstudie-fuer-pv-dachanlagen-fuer-2020-veroeffentlicht
Dieser dort dargestellte spezifische Ertrag gilt für eine optimale Ausrichtung nach Süden und 30° Neigung. Dieser Wert muss dann mit dem Korrekturwert der Abweichung von dieser optimalen Ausrichtung multipliziert werden. Den Korrekturwert kannst du hier ablesen: https://www.ac-solartechnik.de/solaranlagen-ausrichtung-wirkung.html
Die Ausrichtung und Neigung hat einen deutlich größen Einfluss auf den Anlagenertrag als der geografische Standort. Deshalb kann man für Deutschland aus Daumenwert mit einem spezifischen Ertrag von 1000 kWh/kWp gut rechnen. Diese Annahme habe ich in meiner Wirtschaftlichkeitsberechung auch verwendet. Die Abweichung davon in der Realität wird nicht besonders groß sein.
Und das zeigt, dass Stecker-PV in ganz Deutschland finanziell lukrativ ist, auch im Norden.
Helen
Hallo,
das ist ein sehr informativer Artikel, verständlich und locker geschrieben und ein hilfreicher Weg, um Leute, die sich nicht alltäglich damit befassen, über solche Möglichkeiten zu informieren und zu ermutigen. Tatsächlich war mit der Begriff “Guerilla-PV” zuvor nicht geläufig.
Am besten gefällt mir euer Einleitungssatz: “Wie wäre es, wenn sich einfach jeder zum Beispiel im Baumarkt ein paar Photovoltaikmodule kaufen und diese in die Steckdose stecken könnte, um damit seinen eigenen Solarstrom zu produzieren – so ohne Fremdhilfe und viel Aufwand?”
Die Betonung liegt auf einfach, ohne Fremdhilfe und viel Aufwand. ; )
Ich bin offen dafür, in Eigenregie selbst einen Beitrag zur Energiewende beitragen zu können. Die Frage ist oft, wo fängt es an und wo hört es auf?
Es ist sehr bemerkenswert, dass ihr in eurem Artikel sozusagen die Bauanleitung für die Installation einer Mini-PV-Anlage sehr ausführlich und recht allumfassend erklärt und auch belegt, sodass man gefühlt als nächstes sich Online so ein Ding bestellen möchte und loslegen will. Doch so “einfach” finde ich das dann doch alles nicht. Ich als Amateur in E-Technik und Co. traue es mir nicht zu, einfach so eigenverantwortlich in das Stromnetz einzugreifen und all diese Bestimmungen und Regulatorien zu überblicken (und die technischen Voraussetzungen). Denn ich finde am Ende sollte das schon alles rechtmäßig und legal! vonstatten gehen. Daher hier meine Überlegung, diese Installation der Mini-PV-Anlage einfach zukünftig als Dienstleistung anzubieten für Leute, die sich dafür interessieren und begeistern (und da gibt es glaube ich eine Menge) es sich nur nicht trauen, selbst in die Tat umsetzen.
Ich kann es vollkommen nachvollziehen, dass sich die Netzbetreiber xy auch nur ungern in ihr “Handwerk pfuschen” lassen wollen. Daher finde ich es vollkommen legitim, dass es für den Ottonormalverbraucher zumindest gewisse Richtlinien gibt, an die er sich halten soll, damit eben nicht jeder, der sich ggf. auch selbst überschätzt, sich einfach so an einer Mini-PV-Anlage (o.ä.) und besonders! im Stromnetz zumeist einer Hausgemeinschaft, austoben kann (Brandgefahr und Co).
Mir ist noch aufgefallen, dass ihr in dem Artikel für meinen Eindruck vglw. viele Unterstellungen aufgebt, wie z.B. “Energiewende von unten im Keim ersticken” oder “Betonklötze ans Bein gebunden, um die Energiewende von unten zu verhindern” u.a.. Ich finde das sind reine Mutmaßungen und leiten die Stimmung im Artikel manchmal zu einem passiv-aggressiven Unterton. Na klar sollte in Deutschland viel mehr angegangen werden, was die Umsetzung der Energiewende anbelangt, aber deswegen stets nicht belegte Aussagen zu treffen finde ich unpassend. Vielleicht gibt es eben auch diese vielen Richtlinien, da wir nun mal in Deutschland leben und weil so etwas wie selbst etwas ins Stromnetz einspeisen und weiteres bisher einfach noch nicht zur Sprache kam und einfach keine gängige Praxis ist. Und ja, jeder hat nunmal zunächst Bedenken vor Veränderung. Ich fände es viel besser, wenn es “von oben” einfach Reglungen gäbe bspw. für Vermieter der Häuser (warum muss jeder Mieter selbst tätig werden und sich so ein Ding an den Balkon basteln). Natürlich steht die Verantwortung auch bei jedem einzelnen, nur finde ich sind das doch oft nur Tropfen auf einen heißen Stein, zumindest wenn man der Meinung ist – nur weil ich jetzt eine Mini-PV-Anlage an meiner Wohnung installiert habe, kann ich jetzt sagen, ein effektiven Beitrag zur Energiewende beizutragen- ich weiß, dann kommt das Argument, wenn es aber nicht nur einer macht, sondern dann eben mehrere, hat das doch bereits eine viel größere Auswirkung. Das mag stimmen. Solange es von Seiten der Politik (und die wird ja von der Gemeinschaft gewählt, also sind am Ende auch wieder wir und der einzelne Bürger daran beteiligt) allerdings keine allumfassenden Auflagen gibt, sehe ich das alles zwar für einen kleinen Teil der Bevölkerung ganz schön und gut. Am Ende wird meiner Meinung nach davon aber auch nicht die Welt gerettet. Natürlich kann jedermann (und jedefrau) sich als Bestreiter der Energiewende sehen, das wird aber auch nichts daran ändern, dass es einfach zu viele Menschen auf der Welt gibt. Und wie viele davon, außer in den Industrienationen, können es sich leisten sich individuell am Balkon eine Mini-PV-Anlage anzubauen?
Ich bemerke gerade, dass mein Kommentar etwas vom Text abgeschweift. Aber im Endeffekt ist genau das meine Meinung.
Es ist super schön, wenn der Zugang zu erneuerbaren Energien weiterhin ausgebaut wird und wenn es Menschen gibt, die für sich selbst das Ziel haben möglichst “klimaneutral” zu leben und dafür brennen. Aber am Ende muss man halt auch über seinen eigenen Tellerrand hinausblicken und sehen, dass Deutschland als wohlhabendes Industrieland mit Zugang zu solchen Techniken, Bildung und Co. nur einen verschwindend geringen Teil an der Weltbevölkerung ausmacht und somit auch zur “Verbesserung” des Klimas.
Vielen Dank für den Artikel und euer Engagement, die Umsetzung der Energiewende unter das allgemeine Volk zu bringen!
Viele Grüße
Til Stricker
Hallo Helen,
Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Da du mehrere Punkte ansprichst, möchte ich mich nun nacheinander dazu äußern.
Punkt 1: “Amateur in E-Technik”:
Im Grunde genommen könnte es ganz einfach sein: man kauft eine Stecker-PV mit fertigem Anschlusskabel, steckt diese in eine normale Steckdose wie jedes andere Haushaltgerät auch und ist fertig. Aus technischer Sicht ist das ja auch heute schon möglich. In Österreich ist das auch schon “legal” möglich. Nur werden in Deutschland regulatorische Vorgaben gemacht (die aus technischer Sicht nicht notwendig wären), um genau das zu verhindern.
Punkt 2: “Stecker-PV als Dienstleistung”:
Natürlich geht das auch heute schon. Du kannst jeden Elektrofachbetrieb darum bitten, dir eine Stecker-PV z.B. am Balkon zu installieren. Das ist dann in jedem Fall “regelkonform”, da dieser dann auch die spezielle Einspeisedose installiert und die nötigen Anmeldungen vornimmt. Allerdings lässt er sich das wahrscheinlich gut bezahlen, wodurch die Wirtschaftlichkeit der Anlage deutlich leiden wird. Wenn es dir aber nicht ums Geld geht, sondern primär um Klimaschutz, dann empfehle ich jedem diesen Weg.
Punkt 3: “Legalität”:
Natürlich wäre es mir auch lieber, wenn die Stecker-PV ohne spezielle Einspeisedose und ohne Anmeldung auch in Deutschland ohne rechtliche Unsicherheiten “legal” wäre. In europäischen Nachbarländern wie den Niederlanden, Österreich und in der Schweiz ist es das bereits. Man müsste in Deutschland nur mal endlich die EU-Richtlinien umsetzen.
Punkt 4: “passiv-agressiver Unterton”:
Natürlich sind diese Außerungen mehr oder weniger Mutmaßungen und überspitzte Formulierungen. Kein Netzbetreiber würde das öffentlich so direkt behaupten. Dafür ist es ja auch ein Blogbeitrag und kein Artikel in einer Fachzeitschrift. Aber der Vergleich der aktuellen deutschen Regelungen zu denen anderer europäischer Nachbarländer zeigt, dass die Grundaussagen der überspitzten Darstellungen der Realität entsprechen. Die Energiewende von unten kann nicht stattfinden. Das sagst du ja auch selbst. Wenn es die Regularien erlauben würden, würden sich viel mehr Leute eine Stecker-PV kaufen und damit die Energiewende voranbringen.
Punkt 5: “Tropfen auf den heißen Stein”:
In dem Punkt bin ich voll deiner Meinung. Mit Stecker-PV kann nicht die Welt gerettet werden. Dazu gehört noch so viel mehr. Aber es ist ein Beispiel, wie auch Mieter an der Energiewende teilhaben können. Welt retten geht halt nicht nur von oben herab. Es muss jeder mitmachen, damit sich viele kleine Stücke zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Und Stecker-PV ist da ein winziger Beitrag, der aber immernoch mehr bringt, als nichts zu tun und auf die großen Retter in der Politik zu warten. Aber das führt jetzt zu einer Grundsatzdiskussion, die ich hier nicht anstoßen möchte.
Es freut mich, dass mein Blogartikel dich derart mitgerissen hat, dass du dir die Zeit genommen hast, einen sehr ausführlichen Kommentar zu hinterlassen. Das zeigt mir, dass ich mit dem Thema scheinbar einen Nerv getroffen habe 😉