Spätestens durch die seit 2019 laufenden Fridays-For-Future-Demos wird immer mehr Menschen der Zusammenhang zwischen eigener Lebensweise und den daraus entstehenden Klimakonsequenzen bewusst:
Konsum –> CO2-Emissionen –> Klimaerwärmung –> Pariser Klimaabkommen
Jedoch reicht das alleinige Wissen scheinbar nur wenigen, um wirklich ins Handeln zu kommen. Viel zu routiniert ist der tägliche Arbeitsweg mit dem Auto und der Griff nach den Standardprodukten im Supermarkt. Und viel zu mühsam eine entsprechende Verhaltensänderung.
Aber vielleicht muss das Verhalten gar nicht geändert werden? Ingenieur:innen und Wissenschaftler:innen stellen neue Möglichkeiten in Aussicht, die eine vergleichsweise langsame Anpassung möglich machen. Die Rede ist von Geo-Engineering. Dadurch könnte die Klimaerwärmung deutlich verlangsamt werden – zumindest kurzfristig.
Doch welchen Sinn hat Geo-Engineering wirklich? Welche Möglichkeiten des Geo-Engineering gibt es und wie könnten diese aussehen? Und ist es tatsächlich eine Art Versicherung gegen die Klimaerwärmung? Oder wäre es doch eher die letzte Notlösung?
Unter anderem auf diese Fragen möchte ich im folgenden eingehen.
Was ist Geo-Engineering?
Geo-Engineering – auch Climate Engineering – ist das großräumige Eingreifen in geochemische und biochemische Kreisläufe der Erde mit technischen Mitteln. Die Abgrenzung von menschlichen Verhaltensweisen allgemein durch Benutzung von Technik ist damit nicht ganz eindeutig. Denn die Menschheit greift als Summe einzelner Verhaltensweisen ebenfalls großräumig in die Kreisläufe der Natur ein. Ganz prominent ist hier der CO2-Kreislauf, in dem wir der Luft seit Jahren zusätzliches CO2 zuführen. Unter Geo-Engineering versteht man deshalb vor allem großindustrielle oder staatliche Projekte zur gezielten Regulierung der Kreisläufe.
Arten des Geo-Engineerings
Geo-Engineering für den Klimaschutz wird in zwei Kategorien aufgeteilt:
- Carbon Dioxide Removal (CDR)
- Solar Radiation Management (SRM)
Carbon Dioxide Removal kennen wahrscheinlich viele unter dem Begriff Carbon Dioxide Capture & Storage (CCS). Dabei wird CO2 möglichst an der Emissionsquelle aufgefangen und langfristig gelagert. Diese Methode kann vor allem bei technischen Prozessen angewendet werden. Zusätzlich dazu können Pflanzen an Land und im Meer durch gezielte Düngung oder geeignete Landwirtschaft dazu angeregt werden, mehr Photosynthese zu betreiben und nehmen dadurch mehr CO2 auf.
Solar Radiation Management dagegen will die zweite Ursache der Klimaerwärmung kontrollieren – die solare Einstrahlung. Durch Erhöhung des Albedo der Erdoberfläche oder der Wolken soll mehr Sonnenstrahlung zurück ins All geworfen werden. Alternativ dazu gibt es ernsthafte Pläne, Partikel in die Stratosphäre einzubringen, damit sie dort einfallende Sonnenstrahlung wirksam reflektieren. Diese Partikel bestehen beispielsweise aus Calciumcarbonat (Kalk), Schwefeldioxid (SO2) oder Aluminiumoxid kombiniert mit Bariumtitanat.
Es gibt ein ausführliches Dokument vom Umweltbundesamt über Geo-Engineering, das ich für einen tieferen Einblick sehr empfehlen kann.
Anwendung von Geo-Engineering
Zunächst erscheint es durchaus einleuchtend:
- Wir haben zu viel CO2 in der Luft, also extrahieren wir es, komprimieren es und lagern es an passender Stelle.
- Ach so – die solare Einstrahlung ist zu hoch? Dann setzen wir der Erde einfach eine Sonnenbrille auf.
In einer Technokratie gibt es scheinbar für jedes Problem eine passende technische Lösung. Dabei ist der Fokus oft zu starr auf die Problemstellung ausgerichtet und die Weitsicht fehlt. Gerade wenn komplexe Kreisläufe der Erde gezielt beeinflusst werden sollen, ist die Tragweite dieser Veränderung vorher nur schwer abzuschätzen. Oft werden erst eindeutige Folgen sichtbar, wenn eine entsprechende Technologie umgesetzt wurde. Im Falle des Geo-Engineering wäre dann aber die Wirkung auf die Umwelt aufgrund der schieren Größe des Systems irreversibel (so, wie es aktuell auch unsere CO2-Emissionen sind).
Beispiel Meeresdüngung
Als erstes Beispiel möchte ich die Anregung von Phytoplankton in den Weltmeeren vorstellen.
Durch ein Zusatzprotokoll zur Londoner Konvention von 1972 wurde beschlossen, dass seit 2013 keinerlei kommerzielle Meeresdüngung erfolgen darf – sprich: dass anfallende Abfälle anderweitig entsorgt werden müssen als einfach ins Meer eingeleitet zu werden.
Stellen wir uns vor, diese Bestimmung wird aufgehoben, um CDR zu ermöglichen. Es müssten tonnenweise Eisensulfat und andere Düngemittel ins Meer eingeleitet werden, damit das Algenwachstum gefördert wird. Wir würden die absichtliche Eutrophierung des Meeres einleiten – ein Vorgang, den wir bei heimischen Binnengewässern um jeden Preis vermeiden wollen. Dadurch wären die Meere zusätzlich belastet neben der bereits bestehenden Versauerung durch den hohen CO2-Gehalt in der Luft . . . wie ironisch!
Wenn das Wachstum des Phytoplanktons dadurch angeregt werden könnte, müsste darauf aufbauend (vermutlich durch eine weitere Technologie) ermöglicht werden, dass die Algen auf den Meeresboden sinken und dort das CO2 langfristig binden. Denn bei Versuchen wurde gezeigt, das sie – als erstes Glied in der Nahrungskette – vor allem gefressen werden und das Ziel der CO2-Bindung nicht erreicht wird [HBS20].
Bei anderen Geoengineering-Ansätzen gibt es ähnliche Schwierigkeiten. Oder aber sie funktionieren grundsätzlich, sind aber sehr energieaufwendig, teuer und einfach physikalisch limitiert.
Beispiel Carbon Dioxide Capture & Storage
Die Technologie Carbon Dioxide Capture & Storage (CCS) beispielsweise verspricht ein effizientes Einfangen von CO2 an den Emissionsquellen und anschließend eine sichere Verwahrung. Effizient ist an der Stelle lediglich die Abscheidungsrate von 80 bis 98 % [BMWi]. In Bezug auf Energie ist CCS sehr ineffizient, da zusätzlich bis zu 40 % mehr fossile Rohstoffe für ebendiese Abscheidung benötigt werden.
Nähere Informationen zum Thema bekommt ihr in der RESCUE-Studie des Umweltbundesamtes. Oder auch in der Kurzfassung dieser.
Aber:
Die Erforschung negativer CO2-Emissionen ist wichtig. Denn es verbleiben menschengemachte Treibhausgasemissionen, die wir kaum vermeiden können. Das sind vor allem Treibhausgasemissionen in Landwirtschaft und Industrie, vornehmlich in der Zement-, Kalk- und Glasindustrie [UBA21].
Trotzdem gilt:
CO2-”Senken als Beitrag zum Klimaschutz sollten also in allen Bereichen, wo Vermeidung und Substitution technisch möglich sind, nicht berücksichtigt werden. Dies betrifft die Gesamtheit der energiebedingten Treibhausgasemissionen in der Industrie, in Gebäuden und im Verkehr.” [UBA21]
Wem nutzt Geo-Engineering?
Das bisherige Vorgehen erzeugt den Eindruck, dass es bei Geo-Engineering um die Aufrechterhaltung des Status Quo für stark CO2-emittierende Industrien geht. Wenn CO2 durch Geoengineering-Technologien effektiv und sozialverträglich gebunden werden könnte, bräuchte es keinerlei Anpassung innerhalb dieser Wirtschaftsbereiche.
Deshalb ist es auch kaum verwunderlich, dass gerade reiche Industriestaaten – vor allem jene mit hohem Ölvorkommen – sehr interessiert sind an erfolgreichen Geoengineering-Projekten. Ein Vorstoß zur Regulierung von Geo-Engineering wurde 2019 in der vierten UN-Umweltversammlung, UNEA-4, von den USA und Saudi-Arabien zum Scheitern gebracht [TGU19] .
Wen wundert’s? Schließlich gibt es große ökonomische und finanzielle Interessen an CDR-Technologien. Denn bei erfolgreichem Betrieb könnten CO2-Zertifikate an Firmen oder Staaten verkauft werden, die damit ihre eigenen Emissionen greenwashen könnten. Der Emissionshandel würde in eine völlig irre Richtung gehen.
Wichtig ist in jedem Fall, dass wir den Klimawandel verlangsamen und wenn möglich stoppen sollten – zu unserem eigenen Wohl.
Anpassungen sind notwendig
Zusätzlich sind trotzdem Anpassungen an die neuen klimatischen Bedingungen erforderlich. Denn schon aktuell liegt die mittlere Temperatur um knapp 1 °C höher als im Vergleichsjahr 1900 [BSK20]. Und sie wird weiter ansteigen. Diese Anpassungen – vor allem in der Verhaltensweise – betrifft alle Staaten und Staatengemeinschaften, insbesondere aber große und mächtige Industriestaaten, die sich heute und in der Vergangenheit vorrangig durch fossile Energien versorg haben und versorgen. Sie – als wir – tragen die Verantwortung, da gerade die Erschaffung unseres Reichtums stark den menschengemachten Klimawandel gefördert hat.
“Wir brauchen dringend einen zügigen und konsequenten Ausstieg aus der Produktion und Nutzung fossiler Rohstoffe” [HBS19] – weltweit.
Dabei möchte ich klar hervorheben, dass es Industriestaaten (Deutschland, Österreich, Schweiz, USA, Kanada, Spanien, Frankreich, England ect.) deutlich leichter fällt und auch fallen wird, sich an die neuen Bedingungen anzupassen. Das liegt zum einen an der geringeren direkten Betroffenheit dieser Staaten – ihre Landfläche liegt in den Regionen der Erde, die weniger die Auswirkungen der klimabedingten Veränderungen abbekommen (s. Grafik unten).
Zum anderen haben Industriestaaten einfach die finanziellen Mittel, um sich besser an die veränderten Klimabedingungen anzupassen.
Entsprechende Anpassungen wären beispielsweise der Einsatz von trockenstressresistenten Pflanzen, strategisch kluge Einteilung von Wasserreserven, Förderung der Biodiversität etc.
Förderer von Geoengineering-Projekten
Es ist also kaum verwunderlich, dass vor allem diejenigen Industrien und Akteur:innen Geo-Engineering vorantreiben, die durch ihre Produktion und Verhaltensweisen hohe CO2-Emissionen zu verzeichnen haben. Auf der gesamten Welt mehren sich Geoengineering-Projekte. Die ETC-Group und die Heinrich-Böll-Stiftung haben zur Veranschaulichung eine interaktive Geoengineering-Weltkarte veröffentlicht, auf der bereits eine erstaunlich hohe Zahl an Forschungsprojekten und Feldversuchen im Kontext von Geo-Engineering zu verzeichnet ist.
Interaktive Geoengineering-Weltkarte
Link zur interaktiven Geoengineering-Weltkarte in Originalgröße:
https://map.geoengineeringmonitor.org/
Wie viel Sinn macht Geo-Engineering?
Egal ob CDR oder SRM – jetzt mal ganz ehrlich: Alle diese Maßnahmen würden lediglich die Symptome des Klimawandels bekämpfen. Es ist wie das Einnehmen von Beruhigungsmitteln, weil als Ausgleich zum vielen Stress keine Entspannung gefunden werden kann.
Schlimmer noch: Alle bisherigen Erfolge bezüglich Stoffeintragsbegrenzung in die Systeme Wasser, Boden und Luft wären damit hinfällig, wenn oben beschriebene Formen von Geo-Engineering tatsächlich in die Umsetzung kommen.
Bei kurzfristig erfolgreichen Geo-Engineering würde schließlich davon ausgegangen werden, dass auch die langfristigen Folgen des Geo-Engineering von uns Menschen umfänglich verstanden und kontrolliert werden könnten, was im Vergleich zur bisherigen Herrschaft des Menschen über die Natur eine völlig neue Qualität bekäme [UBA11]. Fraglich wäre an der Stelle, ob wir die Folgen tatsächlich verstehen und kontrollieren könnten – auch langfristig..
In Wirklichkeit gibt es nur einen Weg: Wir erkennen die Auslöser der Klimaerwärmung, benennen diese ganz konkret und verändern schließlich unser Verhalten. Wenn die Motokontrollleuchte im Auto blinkt, würde auch jede:r in die Werkstatt fahren und den Motor reparieren anstatt die Leuchte abzuklemmen, damit ihr Licht wieder erlischt.
Denn verglichen mit der Wirkung der abgeklemmten Motorkontrollleuchte auf das Auto hätte das Geo-Engineering ganz ähnliche Wirkungen auf den Klimawandel. Solange Geo-Engineering in Form von CDR und SRM angewendet werden würde, würden wir die Konsequenzen unseres Handelns nicht erkennen. Wir würden weiterhin in großem Stil Fleisch verspeisen. Wir würden für zwei Wochen nach Bali in den Urlaub fliegen. Und wir würden den Öl- oder Gas-Kessel im Keller ordentlich befeuern, wenn es draußen kalt ist. Und all das, ohne uns weiter Gedanken zu machen.
Versteh mich richtig: Ich bin auch Fan von gutem Essen, einem schönen Urlaub und einer warmen Wohnung im Winter. Und genau dafür gibt es alternative, klimafreundliche Lösungen. Diese alternativen Lösungen können das Altbekannte ersetzen.
Was wir brauchen
Was uns weiterbringt ist die Vermeidung von Treibhausgasemissionen anstatt der Entnahme von bereits ausgestoßenen CO2 aus der Atmosphäre. Dies können wir zum Beispiel durch einen zügigen Ausbau der Regenerativen Energien, die Substitution von Erzeugnissen und – am wichtigsten – durch eine Veränderung des eigenen Verhaltens, vor allem des Konsumverhaltens, erreichen.
Geo-Engineering im großen Stil sollte nur als aller aller letzte Möglichkeit dienen, um Kipppunkte zu vermeiden. Mit Geo-Engineering ist an der Stelle gemeint, dass die Natur und deren Kreisläufe kontrolliert werden sollen.
Im Gegensatz dazu ist ein Verständnis der ökologischen Kreisläufe und eine gezielte Beeinflussung sehr sinnvoll – z.B. durch Aufforstung, pflanzenbasierte Ernährungsformen, Fördern von Naturschutzgebieten etc.
Wege, um ins Handeln zu kommen
Scheinbar liegt es nicht am fehlenden Wissen, sondern an der Schwierigkeit der Umsetzung der alternativen, klimafreundlichen Lösungen. Und das geht uns allen so. Schon unser Gehirn ist so programmiert, dass es möglichst wenig Energie verbrauchen will. Gewohnheiten benötigen eher wenig Energie, das Einüben neuer Routinen dagegen sehr viel Energie.
Aber das klingt ja so, als ob wir gar nichts verändern könnten. Zum Glück ist das nicht der Fall! Denn es gibt einige Strategien, mithilfe deren wir durchaus ins Handeln kommen können. Ganz grob gesagt sind das folgende Punkte:
- Thema Nachhaltigkeit als wichtiges Ziel erkennen
- Vereinfachen nachhaltiger Verhaltensweisen
- Nutzen von sogenannten Implementierungsintensionen
Zum Thema Ins Handeln kommen werde ich demnächst einen weiteren Beitrag verfassen. Darin zeige ich dir, wie du einfach ins Handeln kommst und schon mit kleinen Veränderungen große Wirkungen erzielen kannst.
Hinweis: IMHO (In My Humble Opinion) bedeutet, die dargestellte Sichtweise in diesem Beitrag entspricht einzig und allein der Meinung des Autors.
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Hältst du den gezielten Einsatz von bestimmten Geo-Engineering-Technologien für sinnvoll? Wenn ja, welche? Und warum?
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Weitere Beiträge findest du auf unserer Blog-Seite.
Quellen
[UBA11] | Umweltbundesamt (2011): GEO-ENGINEERING wirksamer Klimaschutz oder Größenwahn? (Link) |
[HBS19] | Heinrich-Böll-Stiftung (2019): FAQs zu 1,5°C und Geo-Engineering (Link) |
[HBS20] | Heinrich-Böll-Stiftung (2020): Ein Technofix für das Klima? Die Interessen hinter dem Geoengineering im Meer (Link) |
[UBA21] | Umweltbundesamt (2021): Carbon Capture & Storage (Link) |
[BMWi] | Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Die weitere Entwicklung von CCS-Technologien (Link) |
[TGU19] | The Guardian (2019): US and Saudi Arabia blocking regulation of geoengineering, sources say (Link) |
[BSK20] | Bildungsserver Klimawandel (2020): Aktuelle Klimaänderungen (Link) |
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